Totenmal erinnerte an Kriegsopfer
VON CLEMENS SCHMINKE, Kölner Stadtanzeiger vom 15.4.2003

totenmal imn Köln

Weiße Kreidestriche, die die Körper umrandeten, blieben zurück.
„Totenmal“ nannte sich die Aktion, mit der gestern auf der Domplatte rund zwei Dutzend Menschen
an die Opfer des Irak-Kriegs erinnerten. Ohne dass man sich abgesprochen hatte, ergänzte sie den
Protest derjenigen, die zur gleichen Zeit an der „Klagemauer“ vor dem Dom Wache hielten und den
montäglichen Schweigemarsch von Kriegsgegnern.

Die Totenmal-Aktivisten legten sich auf den Boden und ließen ihre Körper mit Kreide umranden.
Die Aktion solle an die Menschen erinnern, „die durch einen simplen Marschbefehl vor ein paar
Wochen im Namen einer uns vollkommen unverständlichen Raison geopfert wurden“, so der
Veranstaltungsleiter Oliver Jungen vom Aktionsbündnis „Kölner Gegenstrom“. Zwar sei es sicher
noch zu früh, eine Bilanz des Krieges zu ziehen, doch eine Größe sei „nicht mehr wegzudiskutieren:
Tausende von Toten hat dieser »Einsatz« gekostet. Wir unterscheiden dabei nicht zwischen dieser und
jener Seite, zwischen Zivilisten, Journalisten oder Militärs.“ Die abstrakte Opferzahl des Krieges,
die Tag für Tag steige, werde durch die Aktion auf der Domplatte gleichsam „zurückverwandelt in Menschen“.
Die zurückbleibenden weißen Umrandungen in Menschengestalt sollten das „Ausmaß dieser Barbarei“ am Golf vor Augen führen.

(KStA)

Das Flugblatt

Was bleibt?

Der Tod, so banal

Totenmal: Montag, 14. April 2003, 18 Uhr, Köln-Domplatte und anderswo

Bringt Kreide mit

Über den Krieg im Irak gibt es nichts mehr zu sagen. Alles wurde bereits gesagt: über ihn, gegen ihn, für ihn, wieder und wieder. Dass das Vorgehen der USA völkerrechtswidrig ist, ist dabei weniger wichtig als die schlichte Tatsache, dass wir uns überhaupt in einen Krieg haben übertölpeln lassen. Ein völkerrechtlich abgesegnetes Bombardement wäre nicht menschenwürdiger. Bagdad, Basra, Umm Quasr, das sind zunächst einmal Städte, wie Köln eine Stadt ist, und keine Brenn-Punkte. Dass wir den Krieg hinnehmen, dass wir wieder einmal martialischen Strategen die Definitionsmacht darüber überlassen, wer leben darf und wer nicht, ist auch unsere Schuld.

Und doch – darin liegt vielleicht ein Hoffnungsschimmer – zeigt sich neben dem wachsenden Hass und der erschreckenden Zahl von Toten, Verletzten und indirekten Opfer weltweit eine neue Dimension der Solidarität mit den Opfern dieser Politik der gezückten Waffe, was sich unter anderem in den gigantischen Demonstrationen manifestierte. Das hat bisher wenig Eindruck auf die Politik oder die Militärs gemacht, umso mehr auf die Medien und die öffentliche Meinung, auch in den USA. Und es steigt die Entschlossenheit, diesen Krieg, an dem wir medial (und zur besten Sendezeit) so nahe beteiligt sind, nicht länger zu akzeptieren. In vielen Städten haben sich neben den großen Wochenendveranstaltungen die Montagsdemonstrationen als Instanz etabliert, schon weil der Krieg eben kein Wochenendthema ist. Auch in Köln – wo im Vergleich zu anderen Städten bisher eher wenig geschah – gibt es diese Montagsproteste: Treffpunkt ist jeweils um 18 Uhr auf der Domplatte.

Was wird bleiben von diesem Krieg? Der Tod, so banal. Auf allen Ebenen: direkt und indirekt, als Folge oder Spätfolge, in den Köpfen, in den Träumen. Viele hundert Tote – so nur die offiziellen Zahlen der offiziell Erschossenen ohne die durch die Kollateraleffekte Getöteten – gibt es bereits. Ständig bekommen wir die Toten als Zahl geliefert: stolz berichten Pressesprecher von über hundert getöteten Gegnern, mit Trauermiene gesteht man eigene (einkalkulierte) Verlustzahlen ein, worauf regelmäßig Vergeltung geschworen wird etc. Der Tod aber ist keine Zahl, kein Abstraktum, im Gegenteil: Hinter jeder einzelnen dieser Nummern steht ein Mensch, steht ein Sohn oder eine Tochter, steht oft eine Mutter oder ein Vater. Jede dieser Zahlen hat eine Geschichte, hat ein Gesicht, hat einen Körper.

Diese verschwiegenen Körper wollen wir den Zahlen zurückgeben. Und wir wollen mit dem geplanten Totenmal – zumindest visuell – zeigen, was das heißt: Hunderte, vielleicht Tausende von Getöteten.



totenmalTotenmal

Aktionsbeschreibung:
Am Montag, dem 14. April, soll im Rahmen der Montagsdemonstration die dann aktuelle – und wohl leider noch angestiegene – Opferzahl dieses Krieges zurückverwandelt werden in Menschen. Dazu werden wir Karten mit jeweils einer Opferzahl ("Tote(r) Nr. xxx") an die Teilnehmer ausgeben, die sich im Anschluss – wenn möglich als konzertierte zehnminütige Aktion – Mensch für Mensch hinlegen werden, wo immer sie einen Platz finden, und abschließend ihren Körper mit einem Kreidestrich umranden.

Für einen Augenblick, bevor der Wind, der Regen, die Tritte das Totenfeld fortwischen, möge es uns und die Welt, soweit sie zusieht, an all das erinnern, was wir schon verloren haben in diesem Krieg. Ein Moment des Gedenkens, in dem nicht unterschieden werden wird zwischen Zivilisten und Militärs, Angreifern und Verteidigern, in dem Menschen für Menschen einstehen. Was bleibt? Ein gemaltes Mahnmal, das, wie wir glauben, die nüchterne Zahl sehr viel wirklicher, aber auch sehr viel erschreckender erscheinen lassen wird.

 

Es rufen (bisher) zu dem Totenmal auf:

* Kölner Gegenstrom Aktionsbündnis gegen Atomanlagen ( V.i.d.S.P.)
koelnergegenstrom

* No-War-Kampagne. Graswurzelwerkstatt Köln

* viele Einzelunterstützer(innen)


Den Text zum runterladen Totenmal_text

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